2012 waren 60 Prozent aller Deutschen übergewichtig. Mit schlimmen Folgen für deren Gesundheit. Hochverarbeitete Lebensmittel tragen dazu bei, schließlich stammen fast die Hälfte unserer Kalorien aus Junk Food.
Das lernt ihr in diesem Artikel
😛 Der Bliss Point: wie hochverarbeitete Lebensmittel uns süchtig machen.
🤢 Welche Risiken ein hoher Konsum an hochverarbeiteten Lebensmitteln hat.
🥗 Wie wir UPFs erkennen und vermeiden.
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Warum sind hochverarbeitete Lebensmittel so gesund?
Woran liegt es? Zucker, Fett, zu wenig Protein? Vielleicht alles zusammen? Es gibt einen Trend, der zusammen mit der Zunahme von Übergewicht begann. Die massenhafte Verbreitung von hochverarbeiteten Lebensmitteln. Im englischen ultra processed foods. Kurz UPFs.
Meiner Meinung nach ist der Verzicht auf möglichst viel dieser UPFs die effektivste und effizienteste Maßnahme, um sich gesünder zu ernähren und die apokalyptischen Drei: Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Adipositas und Diabetes zu vermeiden.
Nun hat die Menschheit ja seit Jahrtausenden Essen verarbeitet. Wir haben Körner zu Mehl gemahlen, Fleisch gebraten und geräuchert, Früchte und Gemüse gekocht oder ausgepresst. Warum soll die Verarbeitung von Lebensmitteln jetzt schlecht sein?
Ab der Mitte diesen Jahrhunderts wurden zum einen immer neue Verarbeitungsmethoden und Zusatzstoffe entwickelt und zum anderen änderte sich auch das Ziel der Lebensmittelhersteller. Mit drastischen Auswirkungen auf unsere Gesundheit.
😛 Der unwiderstehliche Bliss Point

UPFs bestehen aus günstigen Zutaten und machen uns süchtig. Das steigert die Umsätze der Lebensmittelkonzerne.
Zu Beginn der Industrialisierung am Anfang des 20. Jahrhunderts konnten Lebensmittel plötzlich mit neuen sicheren Verfahren hergestellt und haltbar gemacht werden. Vor allem die massenhafte Verfügbarkeit stieg an und die Hygiene und Haltbarkeit der Produkte verbesserte sich.
Die Verarbeitung galt damals als die Lösung für Mangelernährung und Hungersnöte. Endlich waren sichere und lagerbare Nahrungsmittel dauerhaft verfügbar – Konserven zum Beispiel. Man war weniger abhängig von Jahreszeiten und schlechten Ernten.
Deshalb konzentrierte sich auch die Forschung zu jener Zeit vor allem auf die Haltbarmachung und Verbesserung der Lebensmittelsicherheit. Logisch das waren schließlich die großen Probleme jener Zeit. Keine Mensch dachte damals darüber nach, dass wir mal ein Problem mit zu viel Essen haben würden.
Bereits ab den 1950er Jahren kamen zunehmend Produkte auf den Markt, die das Leben und die Zubereitung erleichtern sollten, wie Instantnudeln, Fertiggerichte und Snacks. Immer mehr und mehr Emulgatoren, Geschmacksverstärker und Konservierungsmittel wurden entwickelt. Jetzt sollte vor allem die Konsistenz und Qualität der Produkte verbessert werden. Dabei sollten die Produktionsprozesse effizienter und damit ökonomischer werden.
Ab jetzt kamen auch erste gesundheitliche Bedenken auf, ob die immer weitere Entfernung der Lebensmittel von der ursprünglichen Form nicht auch Gefahren in sich trug. Von hier an verschob sich der Fokus der Forschung mehr und mehr in die heutige Richtung, bei der vor allem gesundheitliche Risiken untersucht werden.
Hochverarbeitete Lebensmittel werden süchtig machend
Ab den 1960ern und 70ern begann die Lebensmittelindustrie ihre Produkte in Textur und Geschmack so zu optimieren, dass sie den Sättigungszeitpunkt hinauszögerten und süchtig machten bzw. zum wiederholten Kaufen animierten.
Eine zentrale Rolle dabei spielt bis heute der „Bliss Punkt“. Das ist der Punkt an dem das geschmackliche Erlebnis optimal ist. Der Bliss Point löst ein befriedigendes Gefühl in uns aus und bringt uns dazu mehr und mehr zu essen.
Spätestens ab den 80ern wurden Lebensmittel immer süßer, salziger und fettiger und die Texturen angenehmer und spannender. Wie knusprige Chips, cremige Schokoriegel und luftige Snacks.
Gut dokumentiert ist das im 2013 erschienenen Buch: Salt, Sugar, Fat: How the Food Giants Hooked Us von Michel Moss. Er zeigt mit Interviews von Insidern und internen Dokumenten wie gezielt an der Süchtigmachung gearbeitet wurde.
Unternehmen setzen dazu Testpanels ein, die aus vielen Probanden bestehen. Diese Probanden probieren leicht variierte Versionen eines Produkts, bei denen Zucker, Salz oder Fett schrittweise erhöht oder gesenkt werden. Die Probanden bewerten dann, welche Variante sie am angenehmsten und befriedigendsten fanden. So nähert man sich dem Bliss Point an.
Auch mathematische Modelle und statistische Analysen werden verwendet, um Muster im Konsumverhalten zu erkennen. Die Industrie hat Produkte gezielt dahin entwickelt, dass sie das perfekte Geschmackserlebnis bieten und unsere Sinne so manipulieren, dass wir sie unwiderstehlich finden und immer wieder kaufen.
Auch neurowissenschaftliche Studien haben gezeigt, dass hochverarbeitete Lebensmittel in unserem Gehirn die Ausschüttung von Dopamin auslösen. Dieser Neurotransmitter ist unter anderem für das Belohnungssystem verantwortlich und kann Wohlbefinden und Freude auslösen. Das ist auch der Mechanismus, der bei Nikotin oder anderen Drogen eine Rolle spielt.
Wir sind zwar nicht körperlich abhängig wie bei Drogen, aber wir wollen immer mehr und mehr.
Die Übergewichtspandemie

UPFs haben zu viel Zucker, Salz und Fett aber zu wenig Ballaststoffe und Mikronährstoffe.
Gleichzeitig mit dem Anstieg an Salz, Zucker und Fett der Lebensmittel bemerkten Gesundheitsbehörden und Wissenschaftler, weltweit eine Zunahme von Adipositas und Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Besonders in industrialisierten Ländern.
Anfangs brachte man diese Entwicklung vor allem mit Fett in der Ernährung in Verbindung und deshalb verschob sich der Fokus auf die Fett-Hypothese. Ich hab in anderen Folgen schon mal von der sieben Länder Studie gesprochen, die dazu sehr viel beigetragen hat.
Damals dachte man also, dass Fette ,besonders gesättigte Fettsäuren, Hauptverursacher für Herzerkrankung und Übergewicht seien und das führte zu einer an Flut an fettarmen Light-Produkten und Low-Fat Diäten.
Und auch die Nahrungsmittelindustrie sprang auf diesen Zug auf und entwickelte immer mehr Produkte mit weniger Fett. Doch um Geschmack und Konsistenz beizubehalten, wurde das Fett durch Zucker zu ersetzt, was die problematische Entwicklung beschleunigte. Bis heute hält sich der Mythos, dass Fett ungesund ist. Was per se falsch ist.
Zucker als Übeltäter
Erst in den siebziger Jahren haben erste Studie darauf hingedeutet, dass Zucker wahrscheinlich der Verursacher der gesundheitlichen Probleme war. Es gab Hinweise darauf, dass der hohe Zuckerkonsum besonders bei stark verarbeitet Lebensmitteln, wie Softdrinks, Süßigkeiten und Frühstücksflocken zur Entstehung von Übergewicht und von Diabetes beitrug.
In den Zweitausender Jahren stellte man fest, dass nicht nur einzelne Nährstoffe der Grund sein könnten, sondern der Verarbeitungsgrad an sich. Ein Risikofaktor sind zwar die Zutaten der stark verarbeitete Lebensmittel, aber die Verarbeitung sorgt dafür, dass kaum Ballaststoffe und Mikronährstoffe übrig bleiben.
Wir essen also gleichzeitig zu viele Kalorien und zu wenig Nährstoffe. Tote Kalorien also. Daher auch der Spruch: Overfed but undernourished. Also Überernährt aber Mangelernährt.
Viele Studien zeigen, dass je höher der Konsum an hochverarbeiteten Lebensmitteln ist, desto weniger Proteine, Ballaststoffe, Vitamine und Mineralstoffe sind im täglichen Essen insgesamt enthalten. Dem Körper fehlen damit wichtige Nährstoffe um gesund zu bleiben.
Eine ziemlich schlechte Kombination für unsere Gesundheit.
Mythos zu wenig Bewegung
Die Unternehmen argumentierten damals mit der Gesamtenergiebilanz und wiesen darauf hin, dass ihre Produkte zu einem aktiven Lebensstil gehörten. Die Zunahme von Adipositas schoben sie auf einen Mangel an Bewegung. Auch dieser Mythos hält sich bis heute hartnäckig. Sport ist kein Ersatz für gesunde Ernährung.
Hochverarbeitete Lebensmittel als eigene Kategorie
In den letzten Jahren konzentrierte sich die Wissenschaft nicht mehr nur auf einzelne Zutaten, sondern auf den Verarbeitungsgrad. Der Brasilianer Carlos Monteiro entwickelte den NOVA-Score mit dessen Hilfe sich Lebensmittel in Kategorien von minimal verarbeitet bis hochverarbeitet einteilen lassen. Wie genau der NOVA-Score aufgebaut ist, habe ich in diesem Blogartikel beschrieben.

Das ermöglichte eine systematische Untersuchung von Lebensmitteln. Und man stellte fest, dass es einen Zusammenhang zwischen UPFs und einem erhöhten Risiko für Adipositas, Herzkrankheiten, Diabetes und sogar einigen Krebsarten gibt.
Auch die Weltgesundheitsorganisation WHO betont, dass zur Adipositasprävention der Konsum von UPFs eingeschränkt werden muss.
🤢 Anstieg der Zivilisationskrankheiten
Wer zu viele UPFs isst, hat ein höheres Risiko für Adipositas, Diabetes, Herz-Kreislauferkrankungen, Magen-Darm-Erkrankungen und Depressionen und Angstzustände.
Der Anstieg dieser Krankheiten, gerne als die apokalyptischen Drei bezeichnet, ist ein weltweites Phänomen. Seit den 80ern ist der Anstieg steil und setzt sich bis heute fort. In dieser Zeit verdoppelten sich die Adipositasraten in den USA. Spätestens seit den 2000ern ist Adipositas ein globales Problem geworden. Auch in Ländern, die früher noch von Unterernährung betroffen waren wie Mexiko, Brasilien oder China.
Am stärksten betroffen sind Länder in denen der Anteil an hochverarbeitete Lebensmittel an der Kalorienaufnahme hoch ist. Als Klassiker wird immer die USA genannt. Hier sind etwas 42 % der Erwachsenen adipös und über 60 % mindestens übergewichtig. In Mexiko sind die Zahlen noch krasser. Laut OECD gelten etwa 75 % der Erwachsenen als übergewichtig oder adipös.

Aber auch hier in Deutschland sind die Zahlen hoch. 60% galten 2012 als übergewichtig oder adipös. Neuere Untersuchungen werden demnächst veröffentlicht.
Zahlreiche Studien weltweit zeigen einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von UPFs und Adipositas. In Kohortenstudien zeigt sich immer wieder, dass Menschen die viele UPFs essen ein höheres Risiko für Gewichtszunahme und Entwicklung von chronischen Krankheiten haben.
Die europäische EPIC-Studie zeigt, dass ein hoher Konsum von verarbeiteten Fleischprodukten (Wurst), zuckerhaltigen Getränken und Snacks zu einer erhöhten Adipositasrate führen.
Der Zusammenhang zwischen UPF-Konsum und Herz-Kreislauferkrankungen ist ebenfalls gut dokumentiert.
Viele Risiken wie das für Darmkrebs sind noch gar nicht genau untersucht. Wahrscheinlich hängt das zusammen mit den Zusatzstoffen und dem geringen Nährstoffgehalt.
Gesundheitskosten
Die steigenden Raten an Adipositas, Diabetes und Herz-Kreislauferkrankungen führen auch zu enormen Gesundheitskosten. In den USA wird geschätzt, dass allein die Behandlung von Adipositas 147 Milliarden Dollar im Jahr betragen.
Gesundheitsprobleme führen zu Produktivitätsverlusten, weil Arbeitnehmer häufiger abwesend sind und auch deren Produktivität insgesamt nimmt ab.
Angesichts dieser Zahlen sollte man denken staatliche Investitionen in gesundes Essen sollten ein No-Brainer sein.Die Verantwortung wird aber wie so oft auf uns Verbraucher abgeschoben.
Was können wir also tun?
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🥗 Wie kann man hochverarbeitete Lebensmittel erkennen?
Das wichtigste ist wohl, dass man hochverarbeitete Lebensmittel erkennt. Das kann man aus der Zutatenliste erfahren:
- Zusatz von Konservierungsstoffen für eine lange Haltbarkeit. Auch ein mega langes Mindesthaltbarkeitsdatum kann ein Hinweis sein.
- andere Zusatzstoffe wie Geschmacksverstärker, Farbstoffe, Emulgatoren, Säureregulatoren usw. Alles was man in einer normalen Küche zuhause nicht hat.
- Zuckerarten: sowas wie Fruktose und Fruktosesirup, Glukosesirup, Maissirup (HFCS genannt) oder Maltodextrin. Es gibt aber viel viel mehr.
- Faustregel: je länger die Zutatenliste, desto wahrscheinlicher handelt es sich um ein UPF.
- Beim Salzgehalt ist die Grenze ungefähr bei 1-1,25g pro 100g
Es gibt Produkte, die klassischer Weiße hochverarbeitete Lebensmittel sind:
- Fertigerichte
- Backwaren wie süße Stückchen aber auch abgepacktes Brot oder Tiefkühlware
- Snacks wie Chips oder Süßigkeiten
- Limonaden, Energiedrinks
- Wurst
- Fertigmischungen für Essen und Backwaren
- auch Milchprodukte wie Joghurts sind gerne UPFs.
Viele UPFs sehen an sich schon gar nicht aus wie richtige Lebensmittel. Denk mal an einen Schokoriegel: nach was sieht der unverpackt eigentlich aus.
Hier ein Artikel über Kohlenhydrate, der sich auch auf Verarbeitung eingeht.
Im Prinzip ist das so sobald ihr die Gemüseabteilung im Supermarkt hinter euch lasst, seid ihr in UPF-Territorium.
Der beste Schutz vor UPFs ist selbst zu kochen. Nicht immer leicht umzusetzen ich weis. Seht das mal so: Wenn ihr einen Kuchen oder Muffins backt, macht ihr da Konservierungsstoffe oder Emulgatoren rein. Nein. Beim Selberbacken habt ihr alle Zutaten unter euere Kontrolle und der Kuchen ist am Ende kein UPF. Damit ist er gesünder als ein Kuchen aus der Packung.
Jetzt kann man natürlich keinen gesunden Lebensstil basierend auf Kuchen aufbauen aber wenn ihr Süßigkeiten durch selber gemachte Snacks tauscht oder auf Arbeit, statt der Haribotüte einen selbsgemachten Muffin dabei habt, dann ist das ein kleiner Schritt in die richtige Richtung.
Die Summe der kleinen Schritte bringen uns am Ende ins Ziel.
🐝 Well
Philipp
Quellen
Zahlen zu Zivilisationskrankheiten
https://www.oecd.org/en/data/indicators/overweight-or-obese-population.html
https://obesityopen.org/about-us/participating-countries-and-regions/open-mexico/
UPFs und wie man sie erkennt
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/30744710/
EPIC-Studie: Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebsrisiko
https://www.dkfz.de/de/epidemiologie-krebserkrankungen/arbeitsgr/ernaerepi/EPIC_P05_Ergebnisse.html
UPFs und Gesundheitsrisiken
https://www.clinicalnutritionjournal.com/article/S0261-5614(24)00122-5/fulltext
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6450295/
https://www.bmj.com/content/365/bmj.l1949
https://www.bmj.com/content/365/bmj.l1451
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC5811844/
Vorveröffentlichung 15. DGE-Ernährungsbericht
Verzehr stark verarbeiteter Lebensmittel und ernährungsmitbedingte Erkrankungen: Eine systematische Übersichtsarbeit
https://www.dge.de/fileadmin/dok/wissenschaft/ernaehrungsberichte/15eb/15-DGE-EB-Vorveroeffentlichung-Kapitel9.pdf
UPF-Anteile an täglich aufgenommenen Kalorien
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC10260628/
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5986467/
https://pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC5855172/
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35279889/
Case-Study Mexiko City UNICEF
https://www.unicef.org/lac/media/36911/file/Case%20study:%20Mexico.pdf